Verantwortung in der Entscheidungskultur 2021 - Führen verändert sich, kritische Distanz gefordert
Alles ist schneller geworden – nie war der Druck durch Innovation, Kunden, Prozessänderungen größer. Und doch scheint es so zu sein, dass die dringend benötigten Entscheidungen aus dem Top Management gar nicht mehr kommen. Meeting nach Meeting – Vorschlag für Vorschlag – alles scheint in ein schwarzes Loch zu stürzen und nur durch risikoreichen persönlichen Einsatz können die Sandwich-Führungskräfte den Kahn vorm Absaufen retten – so fühlt es sich an, und es ist ein Phänomen, das sich wie eine Krankheit im Mittelstand verbreitet. Früher war alles besser … ?? NEIN, war es nicht?! Es war anders!
HILFE!! "Führung" ist heute doch ein schlechter Witz?!?
Die Arbeit wird neu organisiert und alle Jobs, vom Assistenten bis zum CEO müssen sich auf enorme Umbrüche einstellen. Der Wunsch nach einer linearen Weiterentwicklung, anknüpfend an 2019 bleibt unerfüllbar. Die Vorstellung, dass alle Entscheidungen wie früher vom Chef abgesegnet werden können, ist inzwischen aberwitzig. Warum?
- Schnellere Technologiesprünge und veraltendes Wissen
- Kürzere Produktlebenszyklen, viel schnellere Einführungszeiten, kleinere Erfolgsfenster
- Veränderte Informationsflüsse und Entscheidungsregeln im Unternehmen mit viel mehr Unsicherheit
- Soziale Werte und Werte von Arbeit in den Generationen
- Lösungen benötigen Spezialistenwissen, um sie zu beurteilen.
Zeit für umfangreiche Unterrichtungen der Führungkraft, gibt es keine mehr, es sei denn, die mag diese 16-20 Stunden-Tage. Oder umgekehrt, mit 16 bis 20 Stunden-Tagen lässt sich das Arbeitspensum mit den Methoden von vorgestern noch einigermaßen schaffen – besser ist es, das eigene Führungsverhalten zu ändern. („Kommen Sie doch in unser Coaching“)
Wo früher Kenntnisse und tiefes Wissen war, steht heute das Vertrauen auf den Entscheidungsprozess selbst. Immer noch muss mutig und richtig entschieden werden, heute kommt „schnell“ als Bedingung hinzu. Keiner weiss vorher, ob es wirklich richtig und das Beste ist, aber jeder bringt sich ein, und das Ergebnis ist das Bestmögliche. Andere Meinungen gibt es immer, aber am Ende ist es durch den Beitrag von allen zu diesem Ergebnis gekommen. Führung bedeutet, mit dieser Kritik umgehen zu können, weil das Team das Bestmögliche gegeben hat.
Die bewusste Limitation der eigenen Wirksamkeit wird eine weitere Begleiterscheinung von moderner Führung. Verantwortung tragen, ohne bestimmen zu können. Das ist für Führungskräfte der alten Garde eine sehr große Herausforderung! Sie fühlen sich verantwortlich dafür, bestimmte Ergebnisse zu erreichen, aber sie können es ja allein gar nicht schaffen, brauchen das Engagement und die effektiven Entscheidungen der Mitarbeiter. Die Auseinandersetzung geht also hin zu der Frage nach Verantwortung und den wirklichen Handlungsoptionen. Was kann eine Führungskraft tun, um der Verantwortung gerecht zu werden? (hier auch weitere Hinweise)
'Verantwortlichkeit klären' nicht im Lehrbuch, nicht verstanden, Absturzgefahr
Managementverantwortung bekommt nur, wer nachweislich mit der Verantwortung und Entscheidungs-kompetenz richtig umgehen kann. Entscheidungsfähigkeit wird echt bis an die Grenzen hart trainiert.
Jetzt, in der neuen Situation mit vielen parallelen komplexen Problemen ist die Versuchung groß, dieses Erfolgsrezept beizubehalten und noch mehr zu entscheiden, 20 Stunden zu arbeiten. Das Ego wird schön gestreichelt und doch wird die Grenze der Beurteilungsfähigkeit irgendwann überschritten und: ZACK!! Unnötige Fehler passieren. Wer jetzt keine Feedbackkultur von unten nach oben hat, stürzt.
Wer also zu viel Verantwortung trägt, muss sie in Aufgaben und Teil-Verantwortlichkeiten zerteilen und dann auch auf die übertragen, die die Kompetenz haben. Im Grundsatz darf die Teil-Verantwortlichkeit niemals sozialisiert oder rückdelegiert werden (… beispielsweise im Meeting oder zwischen Tür und Angel: „Chef, ich habe zwei Möglichkeiten, welche solls denn sein“).
Sachlicher Input und ggf. neue Ressource ja, Beschluss nein!
Hier beginnt nun das ganz große Thema, warum Management in eine neue Richtung abdriftet, in der es gar nicht mehr so sehr darum geht, selber Entscheidungen zu treffen, sondern im Gegenteil darauf zu achten, dass die dafür kompetenten Mitarbeiter nicht die Gelegenheit erhalten, sich ihrer Verantwortung zu entledigen. Es geht also darum, durch organisatorische Klarheit sicherzustellen, dass die Entscheidung gefällt wird, und dass sie unter der maximalen Sachkompetenz entsteht.
Natürlich verbleibt die Ergebnisverantwortung an der Spitze. Aber die Verantwortlichkeit, die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist eine Frage der Menschenführung und der operativen Führung. Führungskräfte (Process Owner) haben durch die richtige Personalauswahl und die richtige Informationspolitik dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter nicht vor der Verantwortung für Entscheidungen zurückschrecken. Selbstverständlich ist es wichtig, dass dadurch die Ziele des Unternehmens auch effektiv erreicht werden. Also müssen die ans Ruder, die die Ziele am besten realisieren können und mit ihrer Perspektive den „richtigen Weg“ gehen.
Verantwortung delegieren und einfordern
Eine moderne Führungskraft trägt die Ergebnisverantwortung, sollte aber partout nur die entscheiden lassen, die die Sach- und Fachkompetenz haben.
- Keine Rückdelegation,
- Keine Eitelkeit, selbst das Richtige zu tun!
- Die Eigentümerschaft strikt dort belassen, wo sie hingehört.
So bestimmt eine moderne Führungskraft den Weg, WIE und WO Entscheidungen getroffen werden und bleibt strikt bei den Themen, die sie selbst kompetent beurteilen kann. ALLES ANDERE wird am Ort der maximalen Sachkompetenz entscheiden. Genau diese Kompetenzen zu finden und zu bündeln, ist die verbleibende Kernaufgabe des modernen Managements.
Im Werkzeugkasten der neuen Führung
Als Führungskraft einer Struktur (alle Reports haben eigene Personalverantwortung) muss Abstand gewonnen werden, um einen Überblick über die Notwendigkeiten zu bekommen. Wir haben von Daniel Kahneman gelernt, dass es schnelles Denken und langsames Denken gibt.
Schnelles Denken verführt uns …
indem wir immer sofort eine Antwort haben, die aus der Intuition, aus der Vergangenheit kommt. Der Mitarbeiter könnte wegen der fehlenden Entscheidung den Eindruck gewinnen, dass die Führungskraft keine Meinung hat, aber das ist natürlich Quatsch. Dass die falsch sein kann, ist klar. Leider gibt’s keinen „Mute“ Knopf dafür: Eine präferierte „tolle“ Lösung ist im Kopf und will raus, darf aber nicht. Diese Notwendigkeit zum Wandel kann ganz furchtbare Gefühle hochbringen. („in unserem Coaching kommen Sie da locker drüber weg“)
Die kritische Distanz hilft bei der Navigation durch den Dschungel an Verantwortlichkeiten und Empowerment. Nicht jeder, der entscheiden kann oder soll, will dies auch, und nicht jede Entscheidung ist gut für die Organisation … auch nicht, wenn Chefs sie selbst treffen. Von politisch geschickten Verlagerungen kritischer Entscheidungen bis zu einfacher Dummheit gibt es jede Spielart von Fehlentscheidungen. Kritische Distanz hilft, den Durchblick zu behalten und die richtigen Fragen zu stellen.
Die Komplexität der Digitalisierung und des technischen Wandels bringt zusätzliche Schwierigkeiten, und so verlagern sich die fachlichen Themen natürlich auf die Spezialisten. Bleibt, die Organisatorische Klarheit zu schaffen, die Entscheidungsprozesse zu gestalten.
Organisatorische Regeln, die eine schnelle Informationsverarbeitung fördern, ohne dass der Manager zum „entscheidenden“ bürokratischen Bottleneck wird. Das betrifft eine große Anzahl von Routinen und Arbeitsweisen, bis hin zu den Teilnehmern von Meetings und den Abläufen darin. Exemplarisch kann man sich auch an der Frage orientieren, wie umfassend eine Entscheidung sein muss, oder ob kleine Eingriffe vielleicht besser sein können? Vorschlaghammer oder kleiner Hinweis, um den Fachleuten möglichst viel Raum für eigene, bessere Lösungen zu geben.
Führen heisst nicht mehr: Selber vorangehen
Spätestens jetzt wird klar, dass der „durchsetzungsstarke Manager“ Flurschaden hinterlässt, wenn er/sie mit wenigen Strichen eine ganze Strategie vorgibt. Ungestört mit Erfahrung und Halbwissen allein entscheiden wirkt demotivierend und verwässert die Verantwortlichkeit der Mitarbeiter, die es eigentlich besser könnten. Jeder Gedanke an Macht und möglichst großen persönlichen Einfluss, der im alten Managementprofil so gern gesucht wird, verbietet sich nun als „Eitelkeit“. Andere führen beginnt mit Selbstführung.
Das Sowohl-als-Auch beherrschen – heute sicher DIE kritische Erfolgsgröße für Manager. Ein bewusster Umgang mit der kritischen Distanz auf der Metaebene und die geforderte große Selbstreflektiertheit / Disziplin, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch harte, unpopuläre, einsame Entscheidungen im Management geben wird und geben muss. Engagement und Zuarbeit, Integration und Einbindung sowie eine offene Fehlerkultur sind wichtig für die gemeinsame Weiterentwicklung. Es gibt aber auch immer noch die Krisen, in der die mentale Kraft für einen eigenen Weg gebraucht wird. Dann werden Manager wieder sichtbar oder sollten es zumindest
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